Matthias Wesselmann ist Vorstand der fischerAppelt AG, der größten deutschen inhabergeführten Kommunikationsagentur im Bereich Content, Bewegtbild und Digital Marketing. Er verantwortet die Schnittstelle zwischen PR und Marketing mit den Arbeitsschwerpunkten Content Marketing und Marketing Intelligence. Zuvor war der studierte Medienwissenschaftler unter anderem für das internationale Marketing des Schweizer Möbelherstellers Vitra sowie für die Geschäftsführung des Stuttgarter Büros von fischerAppelt verantwortlich. Wesselmann ist Vorsitzender der Fokusgruppe Content Marketing im BVDW.
Als Referent auf der Corporate Content Conference der Akademie der Deutschen Medien am 23. Mai 2017 im Literaturhaus München spricht Matthias Wesselmann zum Thema: „Wertschätzung für Aufmerksamkeit: Wie Content Marketing zum langersehnten Schulterschluss von Marketing und Vertrieb wird“.
Herr Wesselmann, wir möchten mit Ihnen über innovatives und wirkungsvolles Content Marketing sprechen. Was will Content Marketing erreichen und was ist für Sie der entscheidende Faktor für erfolgreiches Content Marketing?
Content Marketing wird disziplin- und kanalübergreifend angewendet und auch wahrgenommen. Dabei geht es im Endeffekt darum, das große Potenzial eines authentischen Storytelling für Produkt- oder Markenbotschaften zu nutzen. Kunden beschäftigen sich mit Content – wenn er relevant für sie ist. Hierdurch entsteht ein starkes und vor allem bleibendes Erlebnis. Die Kunst ist, die Aufmerksamkeit des Kunden mit relevantem Content wertzuschätzen.
Mit welchem Ansatz gehen Sie an die Entwicklung von Content Marketing Strategien heran? Wie oft und wie schnell passen Sie Konzepte an?
Unser Ziel ist es, redaktionelle Geschichten mit Mehrwert authentisch und kanalspezifisch zu interpretieren. Hierbei konzentrieren wir uns ganz stark auf Geschichten, Menschen und ihre persönliche und emotionale Beziehungen zu Marken. Sobald wir diese Geschichten identifiziert haben, bleiben wir für die einzelne Kampagne dabei, passen diese aber natürlich den einzelnen Kanälen bisweilen auch sehr deutlich an. Anders ausgedrückt: Makro-Kampagnen-Kernidee – mikro-Kanal-individuell.
Was empfehlen Sie Unternehmen, die Content Marketing auf- oder ausbauen möchten?
Content Marketing kennt aus meiner Sicht keine Grenzen, vom Werkzeug- oder Automobilhersteller über den Healthcare-Bereich bis hin zum Spezialchemiekonzern lohnt es sich für alle Branchen gleichermaßen. Unternehmen, die am Anfang sind, sollten sich zunächst Gedanken darüber machen, welche emotionale und authentische Geschichte sie überhaupt zu erzählen haben. Wie lässt sich ein bisweilen langweiliges Produkt in einer aufregenden Geschichte verarbeiten? Während es im Healthcare-Segment zum Beispiel die redaktionelle Begleitung der Heilung einer Krankheit wäre, könnte im Automobilbereich die spezielle Beziehung zum eigenen Auto porträtiert werden. Authentizität und Relevanz sind hierbei entscheidend – ohne diese beiden Faktoren funktioniert es nicht. Darüber hinaus ist neben dem richtigen Format auch die richtige Distributionsstrategie zu definieren, um eine zielgerichtete qualitative Reichweite für den zuvor definierten Content zu erzeugen.
Welche Trends und Technologien sind Ihrer Meinung nach im Content Marketing aktuell relevant?
Die Inszenierung von Themen in Form von Marken- und Produkterlebnissen ist für uns mittlerweile Daily Business. Aktuell nutzen wir immer öfter auch virtuelle Welten im Storytelling. Unternehmen, wie beispielsweise Merck, entwickeln mit uns zusammen virtuelle Welten, die Mitarbeiter und Kunden mit VR-Brillen erleben können und so die Markenbotschaft viel intensiver wahrnehmen – sozusagen mittendrin sind. Am Horizont wird es allerdings unglaublich spannend. Mit der Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz werden noch einmal ganz neue Potenziale für Content Marketing geboten. Mit intelligenten – bisweilen selbstlernenden Algorithmen – werden wesentlich spezifischere Analysen als heute möglich. Das Prinzip ist einfach: Je genauer die Zielgruppe definiert wird, desto passgenauer können die Angebote auf sie zugeschnitten werden. Losgröße eins ist das Ziel – auf persönliche Vorlieben maßgeschneiderte und an konkrete Situationen angepasste Angebote. Dies erlaubt, das herkömmliche Denken in Mediazielgruppen abzulösen und bringt das Ende der Streuverluste durch zu grobe Zielgruppen-Clusterung in greifbare Nähe.
Ihr Vortrag auf der Corporate Content Conference in München hat den Titel „Wertschätzung für Aufmerksamkeit: Wie Content Marketing zum langersehnten Schulterschluss von Marketing und Vertrieb wird“. Verraten Sie uns Ihre Kernbotschaft?
Es geht darum, dass wir den Kunden ernst nehmen und ihn nicht langweilen oder gar zu nerven. So wie sich Medien mit spannenden Nachrichten die Aufmerksamkeit der Rezipienten erarbeiten, soll und muss auch Content Marketing funktionieren. Das Ziel ist, sich mit spannenden Inhalten die Aufmerksamkeit der Zielgruppen für Produkte und Dienstleistungen zu verdienen. Relevanz ist das Erfolgsrezept.
Was bedeutet Content Marketing für die einzelnen Abteilungen von Marketing, Vertrieb und PR bis hin zur Produktentwicklung?
Unternehmen, Agenturen, Publisher und Technologieanbieter werden Content Marketing weiter professionalisieren und einheitliche Standards etablieren. Auch über eine Zertifizierung sollte man nachdenken. Für die einzelnen Abteilungen in Unternehmen wird dies eine größere Verzahnung nach sich ziehen – „kill the silo, break the walls“. Authentische Geschichten werden nicht von einzelnen Abteilungen entwickelt, sondern können überall entstehen und überall erzählt werden.
Im Allgemeinen gilt allerdings: Einheitliche Standards werden sich durchsetzen und dem Markt so ein solides Fundament für Wachstum geben. Aber schon jetzt kann man wahrnehmen, welche Rolle Content Marketing in Zukunft für Markenbildung, Kundenbindung und Vertrieb spielen kann.
Vielen Dank für die spannenden Einsichten. Wir freuen uns auf Sie bei der Corporate Content Conference am 23. Mai bei uns im Literaturhaus München.